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Dienstleistung Kunst
Wir leben, so hört man seit einiger Zeit überall, in einer
Dienstleistungsgesellschaft. Demnach hat der dienende Charakter der
angebotenen Güter und Anstrengungen, also ihr fürsorgliches Wesen,
inzwischen ihren Charakter als Waren überwunden, also das profitliche
Wesen, das ihnen einst in der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft
zukam: Was früher verkauft wurde, tritt heute als Hilfe auf.
Allerdings spiegelt, wie aller verschleiernde Schein, so auch diese
Ideologie Offensichtlichkeiten und hat damit sogar etwas Wahres.
Deshalb entschloß sich die Künstlergruppe, die mit dieser Skizze ihrer
Absicht hervortritt, dem Anforderungsprofil der
Dienstleistungsideologie radikal Rechnung zu tragen. Radikal bedeutet
für uns: ohne Rücksicht auf den originalen Produktionscharakter des
Kunstwerks den Dienstleistungscharakter zu favorisieren, den es
doch auch immer in sich barg. Verstanden sich die verwehten
Avantgarden der verflossenen Klassengesellschaft einerseits als
revolutionäre Retter der Menschheit durch die Kunst (l'art pour
l'utopie) und andererseits als reaktionäre Retter der Kunst vor
der Menschheit (l'art pour l'art), so wissen wir uns als
affirmative Avantgarde der Dienstleistung am je speziellen Menschen
(l'art pour le service). Getrost lassen wir die Utopie die beste
Gesellschaft und die Kunst die beste Utopie sein, um dem
Selbstdeutungs-, dem Individuationsbedürfnis des eigenwertigen
Einzelmenschen durch die ästhetische Erzeugung reflexiver Distanz zur
tumben Spaßgesellschaft geformten Stoff anzubieten - auf daß dieser
Bedarf nicht bloß scheinhaft gedeckt werde durch die
kollektivistischen Offerten der allgegenwärtigen Dienstleistung
Kitsch. Bei einem derart gewaltig bescheidenen Vorhaben kann natürlich
auch auf spartenspezifische Eigenbrötelei keine Rücksicht genommen
werden. Wo es um die geistig-seelische Wohlfahrt des Einzelnen geht,
haben die Künste zusammenzuwirken wie die Spezialisten in der Klinik:
die freien Erfinder von Bildern und Körpern, Bewegungen und Bezügen,
Szenen, Klängen und Texten ergänzen einander zum gemeinsamen
Dienstleistungswerk, und selbst den Beistand der methodisch
kontrollierten Einsichtssuche, der Wissenschaft, verschmähen sie dabei
nicht. Was aber die Wohlfahrt des Einzelnen wäre? Das gehört bereits
selbst in den Aufdeckungsbereich unserer Kunstabsicht. Wir wollen sie
zunächst an der Frage nach dem Glück erproben.
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